Presse

Braucht Weinbau KI?

Serie Weinblicke (7): Künstliche Intelligenz im Weinbau? Für Kellermeister ist das bisher schwer vorstellbar. Geforscht wird daran bereits und erste Anwendungen zeichnen sich ab. 

VON MICHAELA GABRIEL, Acher-Rench-Zeitung, 12.07.2025
Kappelrodeck/Renchen. 

„Gaumen und Nase des Kellermeisters entscheiden über den Geschmack und jeder Kellermeister hat seine eigene Note. Das ist gut so und das kann keine Maschine ersetzen”, ist die Überzeugung von Georg Börsig, geschäftsführen-der Vorstand der Waldulmer Winzergenossenschaft. Sein Kellermeister Konrad Mußler stimmt ihm zu: „KI in der Weinherstellung, das funktioniert nicht. Der Wein ist ein Naturprodukt und jeder Jahrgang ist anders. Die Künstliche Intelligenz kennt ja das Produkt gar nicht.”
Vielleicht kennt die KI das Produkt in einigen Jahren so genau, dass sie doch dazu beitragen kann, einen typischen Waldulmer zu keltern. Grund zu dieser Annahme gibt Fabio Fehrenbach, Leiter des Versuchskellers beim Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg. Hier werden unter anderem neue Verfahren in der Kellertechnik getestet und Seminare angeboten. 

Gär-Werte messen 
Künstliche Intelligenz werde nach und nach Einzug halten in den Weinausbau, sagt der Experte voraus. „Die KI-Winery ist ein ganz neues Feld”, so Fehrenbach. Im Versuchskeller ist kürzlich eine Versuchsanlage in Betrieb gegangen. Sie wurde mit dem Ortenauer Maschinenbauer Destill Tech entwickelt. Sie sammelt während der Gärung und Reifung des Weins mit Sensoren Werte, die bisher nur von Laboren punktuell gemessen werden können. „KI braucht zum Lernen sehr viele Daten. Sensoren im Produktionsprozess können sie liefern. Aus Informationen über die Zelldichte und die Abnahme des Mostgewichts etwa lässt sich der Gärfortschritt zuverlässig ablesen”, erklärt der Fachmann. Für die Herstellung von Bier gebe es diese Anwendung bereits. 
Bei Gärstörungen könnte der Kellermeister künftig gezielt gegensteuern und müsste den Fehler nicht im Nachhinein korrigieren. Durch die Überwachung seien Gärstörungen sogar ganz zu verhindern. Darin sieht Fehrenbach eine große Chance, zumal es immer weniger Fachkräfte gebe: „Freie Stellen sind schwer zu besetzen, die regelmäßige Kontrolle aller Werte von Hand ist nicht immer möglich.” Aus Daten zum Wetter und aus den Reben kann die KI künftig auch den idealen Zeitpunkt für Pflanzenschutzmaßnahmen bestimmen. 
„Die Winzer finden diese Option superspannend”, weiß Fehrenbach seit der ersten Vorstellung der Versuchsanlage. Der Verlust von Teilmengen könnte so vermieden werden. Doch die Sensoren sind teuer und das Sammeln von Erkenntnissen wird noch Jahre dauern. 

Dauert noch Jahre 
Um durch KI mit einem geringerem Arbeitsaufwand zu einer höheren Produktsicherheit zu gelangen, werden Weinbaubetriebe außerdem kräftig investieren müssen: „Dafür ist die aktuelle Marktsituation mit Absatzproblemen und Kostendruck nicht gerade förderlich”, so Fehrenbach. 
Siegbert Bimmerle, Inhaber des gleichnamigen Weinguts mit Sitz in Renchen, glaubt fest an den technischen Fortschritt. Erste Aufnahmen von einer Drohne, die über Rebzeilen aufsteigt und gezielt Pflanzenschutz ausbringt, wurden ihm von einem seiner Winzer aufs Smartphone geschickt. „Das war das erste Mal, dass ich das gesehen habe. Da gibt es noch viele Möglichkeiten. Vielleicht fährt die Raupe auch mal alleine durch die Rebzeilen." 
„Für die, die einen guten Job machen, ist immer noch Platz in der Weinwelt", ist seine Überzeugung. Engagement anstatt Stillstand gehöre unbedingt dazu. Sein Betrieb hat knapp 30 festangestellte Mitarbeiter. Sieben Winzermeister hat er unter Vertrag. Siebewirtschaften für ihn zwischen Baden-Baden und Ettenheim 170 Hektar Reben: „Unsere Größe sorgt für Qualität." Nur was 100-prozentig das Geschmacksprofil Siegbert Bimmerle habe, werde unter seinem Namen abgefüllt. Alles andere werde in andere Linien verkauft.
 
Nicht im Keller 
Dass KI in der Kellerwirtschaft zum Einsatz kommen wird, daran glaubt Bimmerle derzeit nicht. „Im Vertrieb und in der Verwaltung ist das bestimmt nützlich. Aber im Keller: nein.” Fachwissen, Erfahrung des Kellermeisters, perfektes, gesundes Lesegut und eine moderne Ausrüstung sind für ihn die Garanten für den besten Wein. 
Bei der Mundus-Vini-Frühjahrsverkostung hat ein Bimmerle-Chardonnay Gold gewonnen. 2024 war sein Sauvignon Blanc bester Wein Badens und holte Gold bei der Frankfurt International Trophy. Unzählige Preise beweisen ihm: Für die Erzeugung von Spitzenqualität braucht es keine Künstliche Intelligenz.